„Die Sozialdemokratie ist nicht von schlechten Eltern“
„Die Wähler müssen davon überzeugt werden, daß die SPD eine Partei ist, die nicht Wunder vollbringen kann, die aber a) vertrauenswürdig, b) regierungsfähig ist und c) Antworten auf die Fragen unserer Zeit geben kann.“
Dieser Ausspruch von 1960 und andere Originalzitate von Herbert Wehner finden sich in der Zitatensammlung der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung (https://www.hgwst.de/herbert-wehner/zitate-herbert-wehner/).
Es stammt aus einem Interview mit der Illustrierten „KRISTALL“ von Herbst 1960, also zur Zeit der Nominierung des Kanzlerkandidaten Willy Brandt. Wer in alten Reden und Texten Wehners nachliest, wird erstaunliche Parallelen zur heutigen Zeit entdecken. So sagte etwa Herbert Wehner 1972, kurz vor dem Erdrutschwahlsieg der SPD, welcher sie erstmals zur stärksten Fraktion im Deutschen Bundestag machte:
„CDU/CSU müssen noch lernen, im Wettstreit der Parteien ihren Alleinherrschaftsanspruch und die Verteufelung der Andersdenkenden aufzugeben und sachliche Alternativen zum Gegenstand des Streites zu machen.“
Damit bezog er sich auf die zu allen Bundestagswahlen damals üblichen Schmutzkampagnen der Unionsparteien gegen die Sozialdemokratie. Wehner zitierte aus einem Flugblatt zur Gründung des SPD-Ortsvereins Wilhelmshaven im Jahre 1872: „Der Staat muß aufhören, die Domäne einzelner Stände, Personen oder Klassen zu sein. Er muß werden eine Vereinigung gleichberechtigter Bürger, von denen keiner über den anderen herrscht, keiner vom anderen beherrscht wird. Das erstrebt die Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie ist konsequente Demokratie. Sie will die Gesellschaftsordnung, die, fußend auf der Gleichberechtigung aller Menschen, die Quellen der Ungleichheit verstopft.“
Dies gelte weiter, meinte Wehner:
„Dafür sind die Sozialdemokraten angetreten. Dessen haben wir uns nicht zu schämen. Die Sozialdemokratie ist nicht von schlechten Eltern.“
Und wie eine Antwort auf die Anwürfe des Kanzlerkandidaten und Vorsitzenden der CDU im diesjährigen (2021er!) Wahlkampf liest sich die Gegenfrage Wehners:
„Und nun, mit den Erfahrungen aus zwei Weltkriegen und mit ihnen einhergehenden Diktaturen: Welche Partei hat eine klarere, verpflichtendere programmatische Auffassung und ein dieser entsprechendes praktisches Bemühen über die staatliche Ordnung als die SPD?“
Die Sozialdemokratie, so Wehner weiter, führe den Wahlkampf nicht als „Glaubenskrieg“. Beim Bemühen um mehr und bessere öffentliche Dienstleistungen und Investitionen sei klar:
„Nur beträchtlich Wohlhabende können ohne Beeinträchtigung ihrer eigenen Lebensverhältnisse weniger Gemeinschaftsleistungen fordern; nur Reiche können sich einen armen Staat leisten.“
(alle Zitate: HGWST-EA 64-052. Rede des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden und Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Herbert Wehner auf dem Außerordentlichen Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands am 12. Oktober 1972 in Dortmund)
Christoph Meyer, Vorsitzender der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung