Wehner brach nicht mit Schumacher
Zur Rede im Bundestag am 30. Juni 1960
Im Heft 2/2020 des sozialdemokratischen „Vorwärts“ gibt es einen sehr lesenswerten Artikel von Thomas Horsmann über Herbert Wehners Bundestagsrede vom 30. Juni 1960 („SPD akzeptiert Westintegration“, Seite 24). Unter der Titelzeile wird dort behauptet, mit der berühmten Wehner-Rede habe die SPD sich „vom Erbe Kurt Schumachers“ verabschiedet.
Dazu Christoph Meyer, Wehner-Biograph und Vorsitzender der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung in Dresden: „Herbert Wehner hat ja in seinem politischen Leben mit so manchem gebrochen – mit Kurt Schumacher jedoch nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Wehner, einer der wichtigsten Mitarbeiter Schumachers in der ersten Bundestagsfraktion, stand stets an der Seite seines Vorsitzenden, auch nach dessen Tod 1952. Das gilt auch und gerade für die Rede vom 30. Juni 1960.“
In dieser Rede sagt Wehner, wortwörtlich: „Eine der beiden letzten Schriften, die Kurt Schumacher vor seinem Tode 1952 schrieb, beginnt mit dem Satz: ‚Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist nach 1945 von der Idee ausgegangen, ein Deutschland zu schaffen, das die Wiederholung der Schrecken der Vergangenheit ausschließt.‘ Dann heißt es weiter: ‚Dazu war nach ihrer Meinung notwendig, die Zusammenarbeit mit den anderen freiheitlichen Faktoren in der Welt anzustreben, unter keinen Umständen aber die Deutschen in die Position der Unterworfenen sinken zu lassen.‘ Das war also die Grundvorstellung, von der aus dieser Mann, der geraume Zeit unserer Partei das Gepräge gegeben hat, aber – das werden Sie wohl nicht bestreiten -, klar und mit beiden Beinen im und zum Westen stehend, seine Ansichten entwickelt hat.“
Christoph Meyer: „Nicht gegen das Erbe Kurt Schumachers, auch nicht neben sein Erbe, sondern mitten in dieses Erbe hinein stellt Herbert Wehner am 30. Juni 1960 die Neuausrichtung der sozialdemokratischen Außen- und Wiedervereinigungspolitik, sein Bekenntnis zur Westbindung Deutschlands für die SPD.“
Die Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung wird das 60jährige Jubiläum der Rede vom 30. Juni in diesem Jahr zum Anlass einer Reihe weiterer Veröffentlichungen auf www.hgwst.de machen.