Protokoll der Konstituierenden Sitzung des Stiftungsbeirats am 11. Juli 2003
Anwesend: Greta Wehner, Dr. Jürgen Schmude, Dr. Klaus Deubel, Peter Adler, Constanze Krehl, Hanjo Lucassen, Franz Müntefering, Dr. Christoph Meyer (Protokollführer), Thorsten Recker (Gast)
Ort: Dresden, Wohnung von Greta Wehner. Dauer der Sitzung: 11:55 bis 12:55 Uhr.
1. Begrüßung, Bestellung einer Versammlungsleitung, Formalia Greta Wehner begrüßt die Anwesenden und erläutert den Weg, den sie seit den 1990er Jahren mit der Wohnung, der Bibliothek und allen Einrichtungsgegenständen nach Sachsen, nach Dresden genommen hat. Dieses Erbe soll in Sachsen gesichert und für die Öffentlichkeit über das Herbert-Wehner-Bildungswerk und die Stiftung nutzbar gemacht werden. Dann erläutert sie die von ihr getroffene Auswahl der Anwesenden: Jürgen Schmude, der Herbert noch über einen längeren Zeitraum aktiv miterlebt hat und ein Mitstreiter war, der schon 1996 persönlich beim Umzug von Greta mitgeholfen hat und heute als Sprecher des Freundeskreises Herbert-Wehner-Bildungswerk wichtige Hilfe leistet; Peter Adler, der gewissermaßen Gründungsvater des Bildungswerks ist und der auch die Benennung nach Herbert Wehner durchgesetzt hat; Hanjo Lucassen als Vertreter des DGB, weil es Herbert immer wichtig war, mit Gewerkschaften und Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten; Christoph Meyer, weil er vor Ort ist, unbedingt gebraucht wird und später als Testamentsvollstrecker ohnehin zuständig ist; Klaus Deubel als Vorsitzenden des Bildungswerks; Franz Müntefering als dritten Nachfolger von Herbert Wehner als Fraktionsvorsitzender, als eigenständige und durchsetzungsfähige Persönlichkeit; Constanze Krehl gehört als Landesvorsitzende der sächsischen SPD selbstverständlich dazu, denn das Herbert-Wehner-Bildungswerk ist ein sächsisches Bildungswerk.
Zum Versammlungsleiter wird alsdann Dr. Jürgen Schmude bestellt. Jürgen Schmude übernimmt die Sitzungsleitung. Zum Protokollführer wird Dr. Christoph Meyer bestellt. Die vorgeschlagene Tagesordnung wird einstimmig angenommen.
2. Aussprache über die Arbeit der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung Die Mitglieder des Stiftungsbeirats nehmen Stellung zu der Gründung und den gemeinsamen Projekten der Stiftung. Jürgen Schmude dankt Greta Wehner für ihr großes Engagement für Sachsen und die Sozialdemokratie. Er betont und begrüßt die Dauerhaftigkeit dieser Unterstützung und macht erste Ausführungen zur künftigen Arbeitsweise des Stiftungsbeirats. Franz Müntefering regt eine breite Bekanntmachung der Stiftung auch innerhalb der SPD an und bietet seine Unterstützung an, was dankbar angenommen wird. Hanjo Lucassen freut sich darüber, daß dieses Erbe erhalten bleibt und sagt die Unterstützung der Gewerkschaften zu. Peter Adler betont die Bedeutung des Lebenswegs von Herbert Wehner für die Menschen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Herbert verkörpert die Öffnung des Weges in die Sozialdemokratie und die Erkenntnis, daß man aus Fehlern und Irrtümern im Lebensweg lernen und solche Fehler korrigieren kann. Constanze Krehl schließt sich an und erklärt, daß die Sozialdemokratie in Sachsen ihre Wurzeln auch im politischen Wirken von Herbert Wehner hat. Es komme nicht nur auf die finanzielle Unterstützung des Bildungswerks über die Neue Gesellschaft Sachsen e.V. an, sondern auch darauf, diese Verwurzelung über die Arbeit des Herbert-Wehner-Bildungswerks und der Stiftung deutlich zu machen. Klaus Deubel bestätigt das: Man braucht eine Verbindung zu Personen, zu denen man Erinnerungen hat; er selbst hat Herbert Wehner früher im Rundfunk als besonnenen und entschlossenen Politiker miterlebt. Jürgen Schmude weist auf das Ziel hin, ein eigenes Haus für das Bildungswerk zu bekommen. Dazu werde im Sinne dessen, was Franz Müntefering gesagt hat, Öffentlichkeitsarbeit für die Stiftung notwendig sein, insbesondere um Zustiftungen und Spenden zu bekommen. Franz Müntefering schließt den Hinweis auf den 100. Geburtstag von Herbert Wehner im Jahr 2006 an. Dieses Jubiläum muß eine große Sache werden, da Politik sich im Grunde an Menschen festmacht. Jürgen Schmude bejaht das und verweist darauf, daß das Bewußtsein und die Bereitschaft, sich dafür zu engagieren, hier in Dresden vorhanden ist und dies von hier aus gerne in Zusammenarbeit mit der Bundesebene verfolgt werden wird.
3. Bestellung eines/einer Vorsitzenden des Stiftungsbeirats
Greta Wehner benennt Dr. Jürgen Schmude. Dr. Jürgen Schmude wird einstimmig zum Vorsitzenden des Beirats der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung bestellt.
4. Bestellung eines/einer stellvertretenden Vorsitzenden des Stiftungsbeirats
Greta Wehner benennt Peter Adler. Peter Adler wird einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden des Beirats der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung bestellt.
5. Berufung des Vorstands der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung
Greta Wehner benennt Dr. Christoph Meyer. Dr. Christoph Meyer wird einstimmig zum Vorstand der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung berufen.
6. Termine der Beiratssitzungen
Der Beirat soll jährlich am 11. Juli, also am Geburtstag von Herbert Wehner und in Zusammenhang mit dem Treffen des Freundeskreises Herbert-Wehner-Bildungswerk tagen. In Ausnahmefällen soll auch ein schriftliches Beschlußfassungsverfahren möglich sein.
7. Verschiedenes
Jürgen Schmude verweist auf die Möglichkeit für den Beirat, Richtlinien und eine Geschäftsordnung zu erlassen. Darauf soll aber nur dann zurückgekommen werden, wenn es sich als notwendig erweisen sollte.
Christoph Meyer kündigt an, daß er in Bälde ein eigenes Bankkonto für die Stiftung eröffnen und das Stiftungskapital dorthin transferieren wird.
Für die Richtigkeit des Protokolls:
Greta Wehner (Stifterin), Dr. Jürgen Schmude (Vorsitzender des Beirats), Dr. Christoph Meyer (Protokollführer)
Rededisposition von Greta Wehner
Zur Konstituierenden Sitzung des Beirats der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung am 11. Juli 2003
Herzlich willkommen!
„Ich freue mich, daß alle, die ich gebeten habe für den Stiftungsbeirat zur Verfügung zu stehen, dieser Bitte gefolgt sind. So möchte ich zu Beginn jedem von euch danken.
Besonders danken möchte ich Zweien von uns, ohne deren umsichtiges Helfen und Handeln ich es vermutlich nicht geschafft hätte, die langen Verhandlungen mit der in Sachsen zuständigen Behörde und die Formulierung des von den Behörden erwarteten und endlich genehmigten Textes zustande zu bringen.
Für den Text hat Jürgen Schmude sein Nachdenken und sein juristisches Wissen zur Verfügung gestellt – dafür dir von Herzen Dank. Die richtigen Wege hier in Dresden zu finden, das lange Hin und Her mit dem Regierungspräsidium und den Schriftverkehr hat Christoph Meyer mit großer Sorgfalt und gelegentlichen Rücksprachen mit mir und Jürgen und vielen eigenen Gedanken und Wissen auf sich genommen. Ohne ihn säßen wir heute nicht zusammen, dafür dem Christoph und nochmal dem Jürgen von Herzen Dank.
Ihr habt alle eine Tagesordnung bekommen, mit der ich einverstanden bin. Ich werde vermutlich den formalen Weg etwas lockern, auch wenn ich weiß, daß Formalitäten erforderlich sind, aber ihr müßt wissen, was das Ganze soll, was ich damit bezwecke und welche und weshalb ich bestimmte Personen für diese Aufgaben haben will.
Herbert hat ab Herbst 1946 in der SPD gewirkt, er war Redakteur bei der sozialdemokratischen Zeitung „Hamburger Echo“ und ab 1949 Mitglied des Deutschen Bundestags bis zum Ausscheiden im Frühjahr 1983. Er war als einziger Hamburger SPD-Abgeordneter alle Jahre direkt gewählter Abgeordneter. Vom ersten Bundestag 1949 an war er Vorsitzender des Ausschusses für Gesamtdeutsche Fragen. Bis Herbst 1966, als er für drei Jahre Minister für Gesamtdeutsche Fragen wurde und protokollarischer Stellvertreter des Außenministers, also von Willy Brandt, gewesen ist. Von 1969 bis 1983 war Herbert Fraktionsvorsitzender. Ab 1952 war er Mitglied im SPD-Parteivorstand, von1958 bis 1973 stellvertretender Vorsitzender der SPD – dieses in einer Zeit, als es nur zwei Stellvertreter gab und keinen Bundesgeschäftsführer und Generalsekretär, das heißt die Tagesarbeit im Parteivorstand stand unmittelbar in der Verantwortung des stellvertretenden Vorsitzenden Herbert Wehner. Herbert wurde nicht abgewählt, sondern er ließ sich 1973 nicht mehr erneut wählen. Er war fast 67 Jahre alt und zugleich Fraktionsvorsitzender; die Doppelarbeit war nicht mehr zu verkraften. Im Präsidium der SPD blieb er noch weitere 10 Jahre, bis zur Aufgabe des Bundestagsmandats.
Ich selbst kam im Sommer 1953, also vor genau 50 Jahren dazu. So habe ich still – im Hintergrund – mitgewirkt, sein Leben und seine Arbeit mitgetragen und das lange Durchhalten möglich gemacht.
Nachdem Herbert am 19. Januar 1990 nach gut sieben Jahren an der sein Gehirn zerstörenden Krankheit verstorben war, kam mir der Gedanke, ich müsse etwas in seine Heimat Dresden zurückbringen, weil er selber diesen Schritt nicht machen konnte. Es begann mit kleinen Schritten, ich suchte Kontakt nach Sachsen, besonders nach Dresden. Das „Archiv der Gegenwart“, das wir vom ersten Erscheinen an gesammelt und gebunden hatten, überbrachte ich mit Hilfe der sozialdemokratischen Freunde der Sächsischen Landesbibliothek, heute SLUB. Ich zahle noch heute die Ergänzungslieferungen. Ich nahm ab dem Riesaer Parteitag an den Landesparteitagen und anderen Veranstaltungen teil. Bis ich 1994 das Gefühl hatte, ich müsse ganz in Dresden bleiben. Ich habe diese Gegend hier, Torna, kennen gelernt, als der Verkehr weitaus geringer und die ganze Fläche hier mit Birken bewachsen war. Nur das Bauschild gab es. Bis dieses Haus bezugsfertig war, vergingen reichlich 1¾ Jahre.
Jürgen Schmude brachte mich am 23. Juni 1996 mit seinem Auto und den Papieren und Dingen, die nicht unbeaufsichtigt mit einem Möbeltransport transportiert werden durften, nach Dresden. Hier konnte ich die Bauleute bedrängen, so daß ich am28. Juni mit einem kleinen Vorumzug in ein unfertiges Haus und über Planken in diese Wohnung konnte. Die ersten anderen Bewohner kamen im Laufe des August. Unsere Bücher und Möbel kamen am 11. Juli 1996 hier an.
Ich hatte bereits vor dem Umzug festgelegt, was mit den Büchern und Bildern geschehen solle. Nachdem ich hier heimisch geworden war und das Bildungswerk eine nicht mehr übersehbare Existenz in Dresden geworden ist, ich selber mich einem Alter nähere, wo man nicht nur weiß, sondern auch spürt, daß das eigene Leben begrenzt ist, habe ich erneut und auf das Leben hier gerichtet das in meiner Verantwortung Stehende neu geordnet; ihr habt die Unterlagen bekommen. Was daraus nicht zu ersehen ist, ist das Warum. Bis auf einige Möbel, die schon in meiner frühen Kindheit von der Mutter meiner Mutter zu uns gekommen sind und während unserer Emigrationszeit in Schweden von Verwandten verwahrt wurden sowie zwei Teilen und einigen Büchern, die wir in dieser Zeit in Schweden erworben oder bekommen haben, hatten wir nur langsam und oft mühsam unser Zuhause aufbauen können. Und weil dies alles mit und während unserer politischen Arbeit geschah und verbunden ist, ist es mein Wille, daß dies nicht privat verscherbelt wird, sondern im öffentlichen Bereich weiter wirkt, eine Grundlage für die politische Bildung, genauer gesagt eine Zukunftsbasis für das Herbert-Wehner-Bildungswerk bilden soll.
Das Bildungswerk ist keine Erfindung von mir, sondern der sächsischen SPD, die allen Grund hat, dieses ihr Kind in ihr Leben einzubeziehen. Bildungswerke, die mit öffentlichen Mitteln arbeiten, sind für alle Bürger offen. Bei aktiver Mitarbeit vieler Sozialdemokraten bieten sie eine große Chance, auch Nichtmitglieder zu treffen und zu gewinnen.
Vor dem Namen „Herbert-Wehner“ für das Bildungswerk hatte ich gewarnt; es ist Peter Adler, der ganz bewußt darauf bestand. Peter ist also der besonders legitimierte Vater und bis heute auch ein mit erziehender Vater.
Ich muß mich jetzt beschränken. Ich werde vorweg meine Vorstellungen zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5 nennen.
Punkt 3: Vorsitzender des Stiftungsbeirats soll Jürgen Schmude werden. Gründe habe ich schon viele genannt, hinzu kommt, daß er der Sprecher des Freundeskreises Herbert-Wehner-Bildungswerk ist und ein sehr herzliches Verhältnis zwischen Herbert und Jürgen bestand.
Punkt 4: Als stellvertretenden Vorsitzenden benenne ich Peter Adler. Er war Gründungsvorsitzender des Bildungswerks und ist seit dessen Bestehen Vorsitzender des Trägervereins Neue Gesellschaft Sachsen. Er ist schon immer in Sachsen und der Dresdner Umgebung zu Hause.
Punkt 5: Vorstand der Stiftung soll Christoph Meyer sein. Als Leiter und Geschäftsführer des Bildungswerkes kann er mit seiner Tagesarbeit die Geschäfte der Stiftung problemlos führen, er kennt sich aus und muß, wenn ich gestorben bin, die ganze Verantwortung tragen. Ich bin ihm sehr herzlich verbunden und bin überzeugt, daß er saubere Arbeit leistet.
Warum habe ich euch bisher nicht namentlich Genannte gebeten, uns beizustehen?
Klaus Deubel: Klaus ist Vorsitzender des Herbert Wehner Bildungswerkes und darüber hinaus sind er und seine Familie herzlich mit mir verbunden. Sie haben mich – wie ein Familienmitglied – seit Herbst 1990 bis zu meinem Umzug bei sich aufgenommen; ich bin auch bei ihnen zu Hause.
Constanze Krehl: Aus Herberts Geschichte und Verwobenheit mit der SPD und als leidenschaftlicher Parlamentarier, auch als einer, der die Anfänge von Europa in Straßburg, Luxemburg, Brüssel und im Monnet-Komitee mitgestaltet hat, muß die Landesvorsitzende der SPD Sachsen, die zugleich Europa-Abgeordnete ist, dabei sein.
Hanjo Lucassen: Herbert war eng verbunden mit den Arbeitnehmern, er ist für Industriegewerkschaften eingetreten und nicht für Richtungsgewerkschaften, wie es sie vor 1933 gab. Mit den Gewerkschaftsvorsitzenden hat er eng zusammengearbeitet. Herbert ist Träger des Hans-Böckler-Preises und der Mannheimer Medaille der IG-Metall. Die Postgewerkschaft in Hamburg hat eine Herbert-Wehner-Medaille gestiftet. Sozialdemokratie und Gewerkschaften brauchen einander.
Franz Müntefering: Es ist kaum noch nötig, seine Berufung zu begründen. Franz war Bundesgeschäftsführer; faktisch hat Herbert als stellvertretender Vorsitzender auch die Arbeit eines Bundesgeschäftsführers gemacht, und Franz ist, wie Herbert es war, Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag. Einer, der Verantwortung für die ganze SPD spürt, der parlamentarischer Nachfolger Herberts ist, muß dabei sein.
Nun danke ich für eure Geduld und bitte Jürgen Schmude, die Tagesordnung sachlich Punkt für Punkt in die Verantwortung zu übernehmen.„