Klare Worte zur Landtagswahl in Sachsen
Der Vorsitzende der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung, Prof. Dr. Christoph Meyer, hat sich in einem Interview zur bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen geäußert. Der Wortlaut wird im folgenden wiedergegeben:
Herr Professor Meyer, mit welchen Gefühlen gehen Sie am 1. September zur Landtagswahl in Sachsen?
Für mich ist der Wahltag ein Feiertag. Ein Fest der Demokratie, denn die ist nach wie vor nicht selbstverständlich und muss immer wieder gefestigt werden. Darum feiern wir am 1. September die Demokratie in Sachsen, indem wir gemeinsam mit der ganzen Familie ins Wahllokal gehen. Auch mit den Enkeltöchtern, die noch lange nicht wählen dürfen. Und anschließend, schätze ich, gibt es ein Eis, und wir reden über die Wahl.
Was glauben Sie, worum geht es bei der Landtagswahl nun besonders?
Es geht um die Zukunft unseres Landes, um die Frage, wie lebenswert Sachsen für alle Menschen ist, die hier leben und leben wollen. Sachsen gehört unlösbar zur Demokratie in Deutschland, zur Bundesrepublik. Das sollte sich im Wahlverhalten und -ergebnis niederschlagen. Wir brauchen ein Parlament nicht nur demokratisch gewählter, sondern auch demokratisch verantwortungsbewusst handelnder Politikerinnen und Politiker. Da verbietet sich die Stimmabgabe für rechtsextreme und populistische Parteien, da gebietet es die Vernunft und der Wille die Zukunft zu gestalten, demokratisch und freiheitlich zu wählen.
Was würden Herbert und Greta Wehner zu dieser Wahl sagen?
Ich bin nicht Herbert oder Greta Wehner. Ich bin Historiker und menschlich wie politisch mit ihnen verbunden. Daher kann ich nur schätzen: Herbert Wehner würde darauf hinweisen, was in seiner Lebenszeit, im 20. Jahrhundert, in Deutschland und Europa passiert ist. Dass menschenverachtende, mörderische politische Strömungen die Oberhand gewonnen haben, dass ein deutsches Volk sich hat verführen lassen von den einfachen Parolen rechter Schaumschläger, und dass dies nie wieder geschehen darf. Das ist also – so weit lehne ich mich schon aus dem Fenster, das mache ich übrigens auch gemeinsam mit vielen anderen Stiftungen in Dresden – ein klares Votum gegen die AfD. Und dann würde er sicher hinzufügen, es geht nicht nur darum, etwas zu verhindern, etwas abzulehnen, sondern es geht um den positiven Gestaltungswillen, der sich in einer Wahl niederschlägt. Mit anderen Worten: Es geht, damit sie überleben kann, auch immer darum, die Demokratie und den Rechtsstaat im Sozialen abzusichern und zu stärken. Dem würde sich auch Greta anschließen, die ja aber noch fast drei Jahrzehnte deutscher Einheit miterlebt hat. Wahrscheinlich würde Greta Wehner sagen: Nicht geringschätzen, was sich die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR erkämpft haben, verantwortungsbewusst mitwirken im demokratischen Gemeinwesen, das Soziale in der Demokratie stärken, darum geht es.
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat gemeint, man müsse in Sachsen CDU statt SPD wählen, um das Schlimmste zu verhindern. Was halten Sie von solchen taktischen Überlegungen?
Davon halte ich gar nichts. Natürlich ist es erfreulich, wenn die CDU in Sachsen stärker ist als die AfD. Ein Landtagspräsidium, geführt von einer gesichert rechtsextremen Bestrebung, das wäre grausam und schwer erträglich. Doch für eine Regierung braucht es eine Landtagsmehrheit. Und nach Lage der Dinge geht eine Landesregierung ohne Putinfreunde und Populisten nur mit der SPD. Hinzu kommt Grundsätzliches: Es geht darum, die eigene politische Meinung, die eigene Grundüberzeugung zum Tragen kommen zu lassen im Wahlvotum. Ein Landtag, in welchem die CDU den äußersten linken Flügel darstellt, in welchem es keine Alternativen mehr zwischen demokratischen Parteien gibt, das wäre schrecklich.
Und das BSW, wäre das nicht eine linke Alternative?
Was ist denn bitte links an einer pro-russischen außenpolitischen Orientierung, an der Bereitschaft, ein europäisches Land, welches sich demokratisch entwickelt und dem Westen anschließt, einen imperialistischen Angriffskrieg verlieren zu lassen? Das mag zwar keine Landespolitik sein, was die da vertreten, aber auch eine Landesregierung trägt (nicht nur via Bundesrat) Mitverantwortung für die gesamte Bundesrepublik und ihre Politik. Sachsen braucht eine Regierung, die – auch – fest an der Seite des ukrainischen Volkes steht.
Wenn die Wahl für Sie schlecht ausgeht, verlassen Sie denn das Land?
O nein, ich bleibe. Ich bin einmal politisch aktiv geworden, weil ich etwas verändern wollte und nicht weil mir die bestehenden Verhältnisse besonders gefallen hätten. Das wird bleiben. Und Deutschland braucht Sachsen, braucht ein demokratisches Sachsen. Daran werden wir weiter arbeiten müssen, das bleibt eine Gestaltungsaufgabe, und da braucht es übrigens mittendrin eine Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung mit sichtbarem Schaufenster, einem Platz im Herzen der Demokratie.
Ihr Buch über Greta Wehner ist gerade im Druck. Am 31. Oktober würde Greta Wehner 100 Jahre alt werden. Welchen Beitrag zur Diskussion erhoffen Sie sich, damit liefern zu können?
Das ist die Geschichte einer ganz besonderen Frau, die als Arbeiterkind über Widerstand und Emigration zur Sozialarbeit und zur Arbeit für die soziale Demokratie gekommen ist. Die ihr Leben lang nie den Mut verloren und sich für die Demokratie eingesetzt hat, die aus dem Westen in den Osten gegangen ist, in fortgeschrittenem Alter, und die den Menschen hier in Dresden und Sachsen Mut gemacht hat, mitzumachen und nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Leider lebt sie nicht mehr, aber ihre Geschichte zu erzählen, nicht beispielhaft, aber als spannendes Beispiel, das kann ich mir vorstellen, dass das heute noch jüngeren Menschen etwas zu sagen hat und das sie ermutigt, sich überall in der Demokratie gegen die Ohnmacht, für Mitmenschlichkeit und Solidarität einzusetzen.
Also: Am 1. September demokratisch wählen, gerne unserer Stiftung zwischendurch mal etwas spenden – und dann bald auch: lesen!