Ich war in Stalins Dienst! / W. G. Krivitsky. Ins Deutsche übertragen von Fritz Heymann. – Amsterdam: Verlag Allert de Lange, 1940. – 295 S. [Inv.Nr. HW 0459]
Walter G. Kritvitsky, 1899 als Samuel Ginsberg in einer westukrainischen Stadt geboren, war Soldat und später General der Roten Armee, seit Mitte der zwanziger Jahre im sowjetischen Nachrichtendienst tätig und in den Jahren 1936/37 Chef des sowjetischen militärischen Nachrichtendienstes für Westeuropa.
Am 7. Dezember 1937 ersuchte Walter G. Krivitsky in Paris um Asyl nach. Diesem Bruch mit dem stalinistischen System war ein längerer, schwieriger und zögerlicher Prozeß der Ablösung vorausgegangen.
1939/40 erschienen seine Memoiren zunächst in den USA in englischer Sprache und dann in rascher Folge auch in verschiedenen europäischen Ausgaben. Sie waren eine Sensation. Er beschrieb Kapitel für Kapitel Stalins mörderische Politik – seine Rolle im spanischen Bürgerkrieg, die innerparteilichen Säuberungen und die seit 1936 stattfindenden Morde an der Spitze der Roten Armee; und er enthüllte die Entstehung des Hitler-Stalin-Paktes, den er nach dem Absprung in Geheimdienstverhören bereits vorausgesagt hatte. Vieles allersdings, was der Autor aus dem internem Umgang gewußt haben mußte, blieb ungesagt und sollte es auch bleiben.
Am 10. Februar 1941 wurde Walter G. Krivitsky, erschossen in einem Hotelzimmer in Washington D.C. aufgefunden. Die Umstände des Todes sind fragwürdig, die Selbstmordthese der örtlichen Polizei zweifelhaft. Die Sorge um das Bild des frischgebackenen Kriegspartners Sowjetunion verhinderte möglicherweise die gewissenhafte Aufklärung der Tat.
Während die italienische Ausgabe 1940 im faschistischen Italien erscheinen konnte, war die deutsche Ausgabe ein Exildruck des in Amsterdam beheimateten Verlages Allert de Lange. Übersetzer war der deutsch-jüdische Historiker Fritz Heymann, für den das Werk das letzte in einer Reihe von Übersetzungsarbeiten werden sollte, die er für holländische Exilverlage besorgt hatte. Er mußte sich vor den Deutschen verstecken, wurde 1942 von der Gestapo entdeckt, dann nach Ausschwitz deportiert und dort vergast.
Das Werk von Krivitsky erfuhr im Nachkriegsdeutschland eine wechselhafte Rezeption. In der deutschen Geschichtsschreibung spielte es weder in West noch Ost eine Rolle. Allerdings unterscheidet sich die Überlieferungsgeschichte. Wie Helmut G. Haasis in seiner Neuausgabe 1990 schreibt, fanden sich zu diesem Zeitpunkt in den westdeutschen Wissenschaftsbibliotheken 20 Exemplare der Exilausgabe von 1940. In der DDR existierte je ein Exemplar in der Deutschen Staatsbibliothek Berlin und in der deutschen Bücherei in Leipzig. In letzterer war es seit dem Erwerb 1940 und dann auch in der DDR nur beschränkt zugänglich.
Bei dem Exemplar in der Wehnerbibliothek handelt es sich um die deutsche Erstausgabe von 1940. Das Wehner’sche Exemplar enthält keinen Besitzvermerk oder eine Widmung. Wie und wann es in den Besitz der Familie Wehner gelangt ist, ist unbestimmt. Krivitskys literarische Abrechnung mit dem Stalinismus gehört aber in eine Reihe mit zahlreichen anderen ähnlichen Werken in der Wehnerbibliothek. Wehners Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Kommunismus, wie er ihn persönlich kennengelernt hatte, aber auch die kritische Betrachtung der sich differenzierenden kommunistischen Systeme der Nachkriegszeit ist in der Sammlung deutlich zu erkennen.
Im Jahr 1990 wurden die Krivitsky-Memoiren von dem Biographen und Geschichtsforscher Hellmut G. Haasis erstmals in deutscher Sprache neu herausgegeben. Der Text ist ergänzt durch einen kritischen Apparat, der zeitgenössische Dokumente und ein Nachwort mit kritischer Würdigung von Leben und Werk enthält. (Literaturangabe siehe unten).
Veranstaltung im HWB
Im Oktober 2001 stellte Hellmut G. Haasis seine Reflexion über Leben und Werk von Walter G. Krivitsky im Herbert-Wehner-Bildungswerk vor. Diese öffentliche Veranstaltung fand in Kooperation mit der BstU-Außenstelle Dresden statt.
Literatur- und Quellenangaben
Walter G. Krivitsky: Ich war Stalins Agent. Mit zeitgenössischen Dokumenten und einem Nachwort neu herausgegeben von Hellmuth G. Haasis. Illustriert von Uli Trostowitsch. Grafenau-Döffingen: Trotzdem Verlag, 1990.