Doppel-CD ROM Herbert Wehner
Eine digitalisierte, bisher unveröffentlichte Tonaufnahme von Herbert Wehner aus dem Jahre 1966, mit einem Vorwort von Franz Müntefering.
„Es ist ein ,gebrochenes‘ Leben, von dem er hier auf eine für mich sehr bewegende Weise erzählt. […] Er war keineswegs nur der ernste, strenge und unerbittliche Mann, den man in ihm erkennen konnte. Als Politiker hat er sich selbst ungern tituliert, er war aber sein Leben lang ein ungewöhnlich leidenschaftlicher, politischer Mensch“, so Franz Müntefering im Vorwort zu der CD.
Die CD kann auf Anfrage bei der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung erworben werden.
Anmerkungen von Dr. Christoph Meyer
Wie elektrisiert waren wir im Herbert-Wehner-Bildungswerk, als wir die Nachricht bekamen. Eine unbekannte Bandaufnahme von Herbert Wehner? 1966? Bei einem christlichen Verein? Schon öfter hatte Greta Wehner von den Gesprächen in Wuppertal erzählt, die in den sechziger Jahren stattfanden, von der ganz besonderen Atmosphäre, von dem für damalige Verhältnisse noch ungewöhnlichen Dialog, den Herbert Wehner hier mit organisierten Christen führte. Und von Reinhart Weiß, der die Gespräche damals organisiert hat und heute noch in Verbindung mit Greta steht.
Die Aufnahme entstand im Mai 1966, Herbert Wehner war stellvertretender Parteivorsitzender, auf dem Höhepunkt seiner politischen Schaffenskraft und noch in der Opposition – die Große Koalition, deren Architekt er war, kam ein halbes Jahr später zustande. Was sonst sollte vier Jahrzehnte überdauert haben als ein politisches Grundsatzreferat, als der wegweisende Vortrag eines Politikers, der gerade zum Sprung in die Regierung ansetzte?
Umso größer die Überraschung. Ein ganz anderer Wehner war da zu hören, einer, der sich etwas umständlich den Weg bahnt über die Schwierigkeiten mit der Anreise zu ganz persönlichen Erinnerungen an Begebenheiten in seinem Leben. Ruhig, sachlich, mit leichtem sächsischen Akzent und voller Humor erzählt er aus seinem Leben, berichtet er: Von einer Reise in die USA, in der es um die Schicksale der deutschen Kriegsgefangenen ging – und wie ein Mitreisender sich nicht impfen lassen wollte. Vom Leben als Arbeitsloser im Berlin der 20er Jahre, als Heimkehrer in das Hamburg der Nachkriegszeit – wo Brusttee und Heidekränze als Ersatztabak herhalten mußten. Von der bedrohlichen Atmosphäre im Moskau des Jahres 1939 – wo Wehner mit einer Anekdote über seinen Großvater einer bedrohlichen Frage auswich. Von Begegnungen mit Menschen, von Erlebnissen, die diesen Jahrhundertpolitiker geprägt haben.
Herbert Wehner dachte komplex, und er sprach komplex. Kaum ein Politiker könnte sich im heutigen Zeitalter der 10-Sekunden-Statements solche Schachtelsätze leisten. Wehner konnte das. Einer der Teilnehmer damals war Johannes Rau, heute Altbundespräsident, damals junger SPD-Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen. 1998 war er hier in Dresden, um ein kleines Denkmal für Herbert Wehner zu enthüllen. Bei dieser Gelegenheit erinnerte er sich: „Einmal im Jahr kam Herbert Wehner in meine Heimatstadt nach Wuppertal zum Christlichen Verein Junger Männer. Da saßen dann 80, 100 oder 150 junge Leute, die waren zwischen 13 und 23, und das Thema hieß: Herbert Wehner erzählt aus seinem Leben. Nun weiß ich nicht, ob Sie das schon erlebt haben bei langen Abenden, dass sich nach eineinhalb Stunden die ersten wegschleichen und dass man denkt, das ist eine Abschiedssymphonie, denn allmählich gehen alle, weil der Redner ja nicht aufhört – das haben wir bei Herbert Wehner nicht erlebt. Wenn es das Bild gibt: Die Menschen hingen an seinen Lippen – dann galt das für Herbert Wehner.“
Und so tritt uns hier ein Mensch entgegen, Herbert Wehner, den Johannes Rau so beschrieb: „ein ungewöhnlicher Mensch, ein Mensch, der umstritten war und angefeindet, und der gelegentlich auch Vorlagen dafür geliefert hat. Ein Mensch, dem es in der Politik nicht um sich selber ging, auch nicht um die so genannte ,Sache‘, sondern darum, dass das Leben der Menschen menschlicher wurde, friedlicher, humaner.“
Dr. Christoph Meyer