Verzerrungen ohne Belege
Wikipedia-Korrekturen, Teil 16
„Vielfach wird davon ausgegangen“, heißt es bei Wikipedia[1], dass Herbert Wehner seine Verhaftung „dazu genutzt“ habe, sich dem Parteiauftrag, nach Deutschland zu gehen, zu entziehen. Das kann ja nur bedeuten, er habe sich absichtlich verhaften lassen. Dies ist durch nichts zu beweisende Spekulation. Und wahrscheinlich Quatsch. Die Verhaftung des Widerstandskämpfers Wehner durch die zu der Zeit bekanntermaßen deutschfreundliche schwedische Polizei bedeutete die Gefahr Abschiebung in das Nazi-Reich mit tödlichen Folgen. Weiter heißt es dann, „daraufhin“ sei er durch die KPD in der Sowjetunion aus der Partei ausgeschlossen worden. Auch das ist falsch. Vorwand für seinen Parteiausschluss war nicht seine Verhaftung, sondern der ebenso falsche Vorwurf, er habe dann bei der Polizei verräterische Angaben über Genossinnen und Genossen in Schweden gemacht. Dazu braucht Wikipedia nun aber auch nichts mehr zu schreiben. Das haben nämlich sogar der „Spiegel“ und selbst die Stasi in den 1970er Jahren schon unabhängig voneinander festgestellt, dass Herbert Wehner keinen Verrat begangen hat. Diesen Vorwurf nutzten lediglich die Versager und Verräter Mewis und „Stahlmann“, um sich selbst zu Lasten von Wehner gegenüber der Parteiführung reinzuwaschen – und Ulbricht in der Sowjetunion kam es sicher zupass, dass er den unliebsamen Konkurrenten um die Macht in der Partei so loswerden konnte.
Und dann folgt die ebenfalls Verlogenheit unterstellende und falsche Formulierung, Herbert Wehners Bruch mit dem Kommunismus habe sich „nach seinem eigenen Bekunden“ während „seiner Internierung“ vollzogen. Das ist nicht der aktuelle Stand der Wissenschaft. Wie es überhaupt in diesem Schwedenabschnitt keinen einzigen Beleg für die dort aufgestellten Behauptungen gibt. Richtig ist, dass Wehner schon im Gefängnis (1942!) und nicht erst im Internierungslager (ab 1943!) mit dem Kommunismus gebrochen hat. Und das ist hinreichend schriftlich belegt!
Der zweite Absatz im Schwedenabschnitt sollte daher – wie gewohnt knapp – durch folgendes ersetzt werden:
Die Falschaussagen von Mewis trugen auch dazu bei, dass Herbert Wehner im Juni 1942 wegen angeblichen Verrats aus der KPD ausgeschlossen wurde[2]. Diesem äußeren Bruch schloss sich jedoch gleich der innere Bruch mit dem Kommunismus an. Schon im Sommer und Herbst 1942 in der Gefängnishaft stellte er in schriftlichen Aufzeichnungen fest, dass die Kommunisten durch ihren Bruch mit Humanismus, Christentum und Liberalismus dem nationalsozialistischen „Todfeind“ in die Hände gearbeitet hätten[3]. Mit seinem zu Lebzeiten nur in Bruchstücken veröffentlichten Manuskript „Selbstbesinnung und Selbstkritik“ suchte Herbert Wehner nach Wegen für eine Neuorientierung der gesamten deutschen Arbeiterbewegung nach der Niederlage gegen die Nazis[4].
[1] Wikipedia: Herbert Wehner, abgerufen am 11.1.2019.
[2] Vgl. Meyer, Christoph (2006): Herbert Wehner. Biographie. 4. Aufl. München: dtv, S. 94f.
[3] Ebd., S. 97.
[4] Auszugsweise zuerst in: Wehner, Herbert (1942/43): Selbstbesinnung und Selbstkritik. In: Ders. (1976): Wandel und Bewährung. Ausgewählte Reden und Schriften 1930-1975. Erw. Aufl. hg. von Gerhard Jahn. Mit einer Einleitung von Günter Gaus. Frankfurt am Main/Berlin/Hannover: Ullstein/J.H.W. Dietz, S. 35-47; die komplette Ausarbeitung erstmals: Wehner, Herbert (1994): Selbstbesinnung und Selbstkritik. Erfahrungen und Gedanken eines Deutschen. Aufgeschrieben im Winter 1942/43 in der Haft in Schweden, hg. von August Hermann Leugers-Scherzberg. Köln: Kiepenheuer.
Fehler über Fehler!
Der Wikipedia-Eintrag zu Herbert Wehner ist mit zahllosen sachlichen sowie inhaltlichen Fehlern und Einseitigkeiten durchsetzt. Da Lamentieren nichts hilft, veröffentlicht die Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung auf ihrer Seite nach und nach Korrekturen und Einschätzungen.
Der aktuelle Stand der Wikipediakorrekturen zum Download als pdf hier. Weitere Korrekturen und Einschätzungen folgen.
Dokumentiert ist der Beginn der „Selbstbesinnung…“ auch in der Wechselausstellung.